Winzerreise 2016
Wir giessen unsere Jubiläumsglocke
Frühmorgens am Samstag, 28. Mai 2016, reist ein Grüppli
vom Chileräbhügel Neumünster ins Emmental nach Bärau
bei Trubschachen. Ziel ist die Glockengiesserei Berger.
(www.swissbells.com)
Erwartungsfroh und etwas gespannt schauen wir, was es
in dieser Werkstatt alles gibt. Neben vielerlei Maschinen,
Werkzeug und Material steht im Vordergrund ein Eimer
voller "Dreck" (ganz spezielle Mischung sandiger Lehm),
auf dem Tisch das Glockenpositiv, links davon eine fertige
Glocke. Am linken Bildrand auf halber Höhe ist der Topf
zu sehen, in dem eine Glocke entsteht.
In diesen Topf aus Stahl stopft der Fachmann, René Kern-
Berger, rund um das Glockenpositiv den sandigen Lehm,
und zwar so, dass beim Auseinandernehmen des Topfs
weder die innere noch die äussere Lehm-Form
zerbröckeln. Diese Arbeit ist eine Kunst und muss
bedächtig bei voller Konzentration ausgeführt werden.
Das braucht seine Zeit, wohl eine halbe Stunde.
Die äussere Glockenform aus sandigem Lehm erhält nun
auf ihrer Innenwand die gewünschte Verzierung. Für
jedes Zeichen (Buchstaben und Zahlen) hat es im
Setzkasten den passenden Stempel. Es erweist sich
allerdings als sehr heikel, den jeweiligen Buchstaben
seitenverkehrt passgenau in die Lehmwand der Glocken-
form hineinzudrücken, ohne an den Rändern
Verwerfungen zu erhalten, oder gar die Form zu
beschädigen.
Hier übt Béatrice, wie der Buchstabenstempel zu halten
wäre, um dann mit sanftem Druck das Zeichen am
richtigen Ort zu platzieren.
Natürlich werden wir alle angeleitet und unterstützt von
der kundigen Glockengiesserin Frau Therese Berger Kern.
Sie zeigt hier Pius, mit welcher Hand- und
Fingerstellung der "Stempel" optimal zu führen ist: ohne
zu zittern mit dem richtigen Druck in passender Dauer.
Einen Verrutscher macht sie gekonnt ungeschehen,
zuviele solche Korrekturen „mag‘s allerdings nid liide“.
Glück gehabt. Die intakte Aussenschale der Gussform
trägt jetzt im Negativ den Schriftzug
20 JAHRE CHILERÄBHÜGEL NEUMÜNSTER
nebst der Jahreszahl 2016 und vier Trauben-Symbolen.
Die Traube hat Herr Kern unserem Logo entnommen
und daraus eigens einen Stempel angefertigt.
Der Topf wird wieder zusammengesetzt mit den beiden
Lehmformen. Dort wo am Anfang das Glockenpositiv war,
ist nun der Hohlraum, den es zu füllen gilt. Durch die
innere Lehmform sticht der Glockengiesser Kanäle
zwischen dem Einfülltrichter und dem Hohlraum.
Erst jetzt kommt der heilige Moment, wo das etwa 1200
Grad heisse, flüssige Metall (Bronze) vom Schmelztiegel in
die Glockenform fliesst.
Relativ rasch kühlt sich das Ganze ab. Danach öffnet
man den Topf und kann unsere Glocke aus der Form
schälen. Das bröselige Lehm-Sand-Gemisch der
Formschalen wird wieder eingesammelt und dient für
eine nächste Glocke.
Nun fehlt noch der Finish. Die Bronze vom Einfülltrichter
und von den Kanälen sieht jetzt aus wie eine Spinne und
kann weggeknipst werden. Sie kommt in eine nächste
Schmelze. Nach dem Entgraten der Ränder unserer Glocke
und dem Schleifen der Relief-Oberflächen wird noch ein
passender, schön klingelnder Klöppel eingehängt.
Fertig ist unsere Jubiläumsglocke, nach rund drei Stunden
Staunen, Fragen, Lernen und Mitmachen.
Und hier hängt sie nun,
in unserem Rebberg.
Natürlich nicht einfach so,
nur wenn hier gearbeitet
wird. Sie erklingt zum
Apéritiv nach getanem
Räbwerch.
Den aufmerksamen
Betrachtern entgeht nicht,
dass der Schriftzug
mangels Erfahrung nicht
ganz regelmässig daher
kommt – typisch
Handarbeit eben!
Bilder:
Idi Haeberli, Edi Mumprecht
Text:
Edi Mumprecht, Trudy Dacorogna-Merki